Tatjana Botzat

Editorische Vorbermerkung des Verlages : Zwanzig Jahre nach dem "Deutschen Herbst" arbeitet die Medienmaschinerie auf Hochtouren : Erinnerungsbücher ehemaliger Akteure, Talkshow-Auftritte einstiger Kombattanten und reißerische Fernsehproduktionen lassen den "Herbst 77" endgültig zum surrealen Phantom der Medien verkommen. Es scheint uns angebracht, die realen Zustände des Herbstes 1977 in Erinnerung zu rufen und sechs Wochen einer Republik zu dokumentieren, in denen entscheidende demokratische Kontrollinstanzen außer Kraft gesetzt wurden und die Handlungslogik der Exekutive - von der Judikative sanktioniert - vom ersten Tag an von der Entscheidung für die Staatsräson und gegen den Entführten bestimmt war. Anfang 1978 ist im Verlag Neue Kritik der Band "Ein deutscher Herbst" (herausgegeben von Tatjana Botzat, Elisabeth Kiderlen und Frank Wolff) erschienen, der die Ereignisse der vorangegangenen Wochen und deren Auswirkungen auf den Alltag der Republik in Wort und Bild festgehalten hat. Diese Sammlung diente als Fundus des vorliegenden Bandes, der durch weitere Stimmen, Berichte und Bilder angereichert wurde. Anstatt aus heutiger Sicht die Ereignisse von damals zu kommentieren, sollen Beiträge und Dokumente die damalige Zeit ins Gedächtnis zurückbringen. Die zum Teil hysterischen Texte dieser hysterischen Wochen spiegeln eine Zeit wieder, die vom Fehlen nahezu jeglicher rationalen Überlegungen gekennzeichnet war und in der die Frage, ob der BRD-Staat wirklich in Gefahr war, bereits als Feindpropaganda galt. Das authentische, nun als Buch-Illustrierte vorgelegte Material wird durch zwei analytische Beiträge von Wolfgang Kraushaar ergänzt, die sich mit der blutigen Logik des Kampfes zwischen RAF und Staat und dem nicht erklärten Ausnahmezustand der BRD während der Schleyer-Entführung befassen.… (plus d'informations)