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Deniz Ohde

Auteur de Streulicht: Roman

2 oeuvres 38 utilisateurs 2 critiques

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Œuvres de Deniz Ohde

Streulicht: Roman (2020) 33 exemplaires
Ich stelle mich schlafend (2024) 5 exemplaires

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Date de naissance
1988
Sexe
female
Lieu de naissance
Frankfurt am Main, Germany

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Critiques

Das muss ich erst einmal setzen lassen.
Anfangs tat ich mich etwas schwer, denn die Geschichte ist sehr traurig und düster. Aber sie ist natürlich wahr und sehr wahrhaftig erzählt. Ich bin selbst im Bildungsbereich tätig und den Jahrgang 1988 habe ich definitiv sowohl an der Schule als auch an der Uni unterrichtet. Das könnte also meine Schülerin, meine Studentin sein. Sind mir ebenso die Schüler achtlos durchgerutscht wie den Lehrerinnen und Lehrern der Erzählerin dieses Buches? Immer wieder ermahne ich meine Lehramtsstudierenden, nicht zu vergessen, dass die Kinder, die sie vor sich haben, nicht die selbe Biografie haben wie sie, die vermutlichen Mittelschichtskinder. Ich erinnere sie daran, dass sie Kinder unterrichten werden, die einen anderen Habitus haben, die geheimen Zeichen nicht kennen, welche Zugehörigkeit ausstrahlen. Aber gelingt es mir selbst?
Das Buch von Deniz Ohde ist definitiv entlarvend und es ist für mich auch erschütternd. Die Ich-Erzählerin schafft den Bildungsaufstieg, aber so schwer, unter so großen Erschütterungen der eigenen Identität und des eigenen Selbstwertgefühls, dass ich tief betroffen bin. Es ist sicher kein Zufall, dass die Ich-Erzählerin in der Schule Hesses „Unterm Rad“ lesen muss - denn sie erzählt eine ganz ähnliche Geschichte, wenn auch mit optimistischeren Ausgang. Ich hoffe wirklich, dass es in Deutschland möglich ist, das Bildungsversprechen einzulösen. Doch wenn ich an die Schulfolgen der Corona-Pandemie denke, dann sind es genau Kinder und Jugendliche wie die Erzählerin dieses Buches, die durchs Raster fallen. Denn genau diese Kinder brauchen gute Lehrkräfte, müssen gesehen werden, müssen gestützt werden. Und sie brauchen auch gute Freunde. Vieles an dem Buch hat mich erschüttert und verstört, die Eltern, die Freunde, die Umgebung. Niemand ist wirklich böse - die Lehrkräfte allerdings mitunter schon - aber viele sind einfach so achtlos.
Es ist kein besonders schönes Buch, aber ich finde es wichtig.
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Wassilissa | 1 autre critique | Oct 18, 2020 |
Am Rande des Industrieparks, der Säure in die Luft pustet und klebrigen Schnee produziert, wächst die Ich-Erzählerin auf. Mit ihren Freunden Pikka und Sophie besucht sie das Gymnasium, glaubt dort so sein zu können wie diese, doch hinter der Tür der elterlichen Wohnung ist vieles anders. Vater wie Großvater trinken zu viel, wollen keine Veränderung und herrschen ruppig über den Haushalt. Die Mutter, die einst aus der Türkei in ein vermeintlich besseres Leben geflüchtet war, akzeptiert dies stumm, bis es nicht mehr geht. Kein Umfeld für eine vielversprechende Zukunft und so kommt es auch: die Versetzung gescheitert, das Gymnasium Vergangenheit. Warum noch kämpfen, wenn der Ausgang doch ohnehin schon gewiss ist?

In Deniz Ohdes Debütroman verarbeitet die Autorin gleich zwei Erfahrungen, die sowohl unsere Gesellschaft wie auch das Bildungswesen prägen: Als Arbeiterkind fehlt ihr der Zugang zum notwendigen Habitus, der Voraussetzung für den Bildungserfolg ist, als Tochter einer türkisch-stämmigen Mutter verleugnet sie zunächst den offenkundigen ausländischen Namen, der sie ebenfalls stigmatisiert und in eine Schublade steckt, auf der sicher nicht Bildungsaufsteiger steht. Sie hat nie gelernt, für sich zu sprechen, Widerstand gegen erfahrenes Unrecht zu leisten und muss so den schweren Weg nehmen.

Gewalt kennt viele Formen. Die Erzählerin erlebt sie auf vielfältige Weise: verbal, psychisch, physisch. Angst und Sprachlosigkeit sind die Folgen, die sie über viele Jahre lähmen und ihr jedes Selbstvertrauen rauben. So trist die Umgebung in der Nähe des grauen und lärmenden Industrieparks, der nur noch von den unzähligen Flugzeugen übertrumpft wird, so traurig auch das Elternhaus in jeder Hinsicht. Sie lernt früh, unsichtbar und unhörbar zu werden, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Mutter keine Verbündete, kämpft diese noch mit der eigenen Befreiung, die ihr mit der Flucht aus der Heimat vermeintlich schon gelungen war, nur um sie in eine neue, andere Gefangenschaft zu bringen.

Symbolisch zwei Szenen für einerseits die Leere, in der sie schwebt, und andererseits die vermeintlichen Freunde, die an ihrer Seite stehen. Bei einem Aufsatz zum Thema Identität fällt ihr nichts ein. Sie weiß nicht, wer sie eigentlich ist, was sie ausmacht, ebenso wenig wo sie hin will. Trotz hervorragender Zensuren traut ihr die Freundin Sophie, mit bildungsbürgerlichem Hintergrund, reit- und Ballettstunden gesegnet, nicht zu, das Abitur zu schaffen. Obwohl sie ihr Wissen unter Beweis stellt, bleiben immer Zweifel, wird dies als nur zufällig oder vorläufig anerkannt. Sie passt nicht in das Bild und immer wieder finden sich fadenscheinige Gründe, sie wieder beiseite zu schieben.

Es ist kein Roman von Emanzipierung; bei der Rückkehr in die elterliche Wohnung wird sie trotz inzwischen vorhandenem Studienabschluss wieder zu dem unscheinbaren Mädchen, das nichts kann und nichts zählt. Tief haben sich die Erfahrungen aus dem Kindesalter eingeschnitten und Narben verursacht, die sich nicht kaschieren lassen. Ein atmosphärisch düsterer Roman, der ohne plakative Gewaltexzesse doch verdeutlicht, wie grausam ein Leben in Deutschland verlaufen kann. Inhaltlich sicherlich ein würdiger Kandidat für den diesjährigen Deutschen Buchpreis.
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miss.mesmerized | 1 autre critique | Oct 4, 2020 |

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